Ich komme aus OWL – Fragen an Gary Schlingheider
Gary Schlingheider ist einer der neun Künstler*innen unserer aktuellen Ausstellung „OWL5 – Spurensuche“. Der Maler und Bildhauer beschäftigt sich in seinen Werken mit Überlagerungen und Räumen. Farbe und Form bilden bei beiden Gattungen den Ausgang seiner Auseinandersetzung. In Ostwestfalen-Lippe geboren, hat er uns ein paar Fragen zu seiner Heimat und ihren Einfluss auf seine künstlerische Arbeit beantwortet.
Du kommst gebürtig aus Lage in Ostwestfalen und bist dann für dein Studium der Bildenden Kunst an die Universität der Künste nach Berlin gegangen. Nach deinem Abschluss als Meisterschüler von Christine Streuli hast du dein Atelier in Lage eingerichtet und pendelst seitdem zwischen Ostwestfalen und Berlin. Warum hast du dich entschieden, wieder ein Standbein in der Heimat zu haben?
Zum Ende meines Studium an der UdK habe ich mich nach einem Atelier in Berlin umgeschaut und festgestellt, dass die Ateliermieten auf dem freien Markt horrend sind. Für meine oftmals sehr großformatigen Arbeiten brauche ich Platz, manches Atelier scheidet alleine deswegen aus, weil ich meine Arbeiten gar nicht durch die Tür bekäme. Groß, hoch, ebenerdig, bezahlbar – keine Chance in Berlin. Ich wollte mich nicht vom Raum beschränken lassen. Ich hatte schon länger mit dem Gedanken gespielt, OWL nach vielen Jahren in der Hauptstadt erneut eine Chance zu geben, mir die Region nochmal anzuschauen. Zudem hegte ich seit einigen Jahren den Wunsch, das frühere Firmengebäude meines Vaters, eine alte Hemdennäherei, an dem viele Kindheitserinnerungen hängen, zu übernehmen und auszubauen. 2017, gleich nach meinem Studium, habe ich mich ans Werk gemacht und mit Schweiß und Mühe die Räume umgebaut und renoviert.
Was macht für dich Ostwestfalen-Lippe aus?
Lippe ist meine Heimat. Wenn ich von der Autobahn abfahre oder aus dem Zug steige, stellt sich bei mir sofort eine Art Entspannung ein. Es liegt an der Vertrautheit. Allerdings dachte ich immer die Region gut zu kennen, war nahezu gelangweilt von ihr. Mit etwas Abstand und einem frischen Blick entdecke ich nun viel Neues und mir Unbekanntes. Ich habe OWL zu schätzen gelernt, die Menschen, die Natur. Manchmal wird es mir allerdings zu eng, dann muss ich raus, zurück in die Stadt.
Es sind die einfachen Dinge: Die Rüben im Winter am Wegesrand, der Geruch der Lagenser Zuckerfabrik, die hügelige Landschaft, der salzige Grünkohl meiner Mutter. Hier leben Menschen, die mir viel bedeuten und es gibt Orte, an die ich gerne zurückkehre und mich erinnere. Diese Erinnerungen sind jedoch Vergangenheit, ob OWL auch die Basis meiner Zukunft bildet kann ich gar nicht sagen. Das versuche ich gerade herauszufinden.
Neben Ausstellungen in Berlin hast du auch hier in der Region ausgestellt, unter anderem im Künstlerhaus Lydda in Bielefeld und im Kunstverein Paderborn. 2019 werden deine Werke in der Städtischen Galerie Eichenmüllerhaus in Lemgo gezeigt. Gibt es für dich Unterschiede, in der Großstadt oder hier auszustellen und als Künstler wahrgenommen zu werden?
Natürlich. Als junger Künstler in Berlin wahrgenommen zu werden ist unfassbar schwierig – mit dem riesigen Kulturangebot, den unzähligen Ausstellungen. Die Konkurrenz ist größer, der Druck höher. Für mich sind beide Spielwiesen spannend. Berlin mit den Messen, den Projekträumen und Galerien, hier die institutionellen Ausstellungen. Jedes Format, jeder Ort hat seine Herausforderungen.
Was würdest du gerne hier in der Region verändern, unabhängig davon, ob es realisierbar ist oder nicht?
Ich würde mir etwas ganz Simples wünschen: ein gut sortiertes Geschäft für Künstlerbedarf. Bildträger, Farben, Werkzeuge – aktuell importiere ich alles aus Berlin. Dort kaufe ich die Stoffe für die Leinwände in einem kleinen Atelier, freue mich über den kurzen Schnack mit dem Inhaber. Um hier an Material zu kommen muss ich ewig fahren oder es online bestellen, das finde ich schade. Generell würde ich mir wünschen, dass das Leben mehr draußen stattfindet. Oft begegnen mir Menschen, die tagtäglich die gleiche Spurrille fahren, allerdings gibt es auch spannende Macher & Entdecker. Bitte mehr davon. Und: Mehr Wasser! Ich schätze das seenreiche Brandenburg, ganz gleich ob im Sommer oder im Winter.
Welcher ist Dein persönlicher Lieblingsort in OWL?
Unser Küchentisch. Aber es gibt viele schöne Orte, wie die Hörster Egge, das Freilichtmuseum in Detmold – und es gibt einiges zu entdecken, da freue ich mich schon drauf.
Hinweis:
Als einer von neun Künstler*innen stellt Gary Schlingheider sein Werk noch bis zum 5. Mai in der aktuellen Ausstellung „OWL5 – Spurensuche“ im Marta Herford aus. In den beiden großformatigen Leinwänden, die aktuell in der Lippold-Galerie präsentiert werden, arbeitet er mit kraftvollen Farbflächen, die er übereinanderschichtet und schließlich mit Linien aus schwarzem Lack überzieht. Wie aus den Leinwänden ausgebrochen erobern die schwarzen Linien mit der Skulptur „30mm“ den Ausstellungsraum.
