Malerei und Fotografie – Eine Liebesgeschichte
Wahre Liebe muss große Konflikte überstehen – so vermitteln es klassische Liebesgeschichten bereits seit der Antike. In diese Tradition reiht sich auch die Geschichte von Malerei und Fotografie ein. Anders als tragische Klassiker wie „Romeo und Julia“ haben die beiden Kunstgattungen allerdings ein Happy End bekommen – zumindest in der Marta-Ausstellung „Trügerische Bilder“.
Die aufregende Liebesgeschichte kann dort anhand eines Zeitstrahls erkundet werden, der sich als Architektur durch die Ausstellungsgalerien zieht. Dieser erzählt von anfänglichem Misstrauen, fehlender Anerkennung und Konkurrenzkampf, aber auch von gegenseitiger Inspiration und schließlich einem spannungsvollen Wechselspiel in der zeitgenössischen Kunst.
Aller Anfang ist schwer
Die gemeinsame Geschichte der beiden Medien beginnt am 19. August 1839 mit der öffentlichen Präsentation der Daguerreotypie, die gemeinhin als Geburtsstunde der Fotografie gilt. Das neue Medium ermöglicht es erstmalig, einen flüchtigen Moment in einem Bild für die Ewigkeit festzuhalten. In der Kunstwelt wird diese Entwicklung mit Neugier aber auch Unmut beobachtet. Schnell entdecken Maler*innen jedoch die Vorteile für sich und nutzen Fotografien als Vorlagen für ihre Werke. Während Maler*innen die Fotografien dabei vor allem als Hilfsmittel betrachten, orientieren sich Fotograf*innen an den Motiven der Landschafts- oder Aktmalerei und übernehmen Perspektiven, Bildkompositionen oder Körperdarstellungen.


Der Kampf um Anerkennung
Mit dem Aufkommen des Impressionismus in den 1870er Jahren begann die Malerei ihre Umgebung neu zu interpretieren und sich langsam von der Wirklichkeit abzuwenden. An die Stelle von realistischen Darstellungsweisen treten verschwommene Landschaften, körperlose Figuren und substanzlose Architekturen. Mit dieser gekonnt eingesetzten Unschärfe arbeiten gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch die Künstler*innen des Piktorialismus, die so den Vorwurf abwehren, Fotografie sei nur die bloße Abbildung der Realität – und deswegen keine Kunst. Mit ihren stimmungsvollen Bildern gelingt es ihnen schließlich, die künstlerische Fotografie zu etablieren.


Wechselseitige Einflussnahme
Das Entlehnen von Motiven und Stilen ist jedoch kein einseitiger Vorgang, da sich auch die Malerei im künstlerischen Repertoire der Fotografie bedient. Besonders prägnant zeigt sich das bei den Maler*innen des Fotorealismus: Diese setzen fotografische Darstellungsweisen so exakt um, dass es als Betrachter*in schwerfällt, zwischen Malerei und Fotografie zu unterscheiden – zumindest auf den ersten Blick. Die betont naturalistische Darstellung wird in ein illusionistisches Extrem geführt.

Zeitgenössische Kunst als Happy End
Die Liaison von Malerei und Fotografie scheint vergangene Konflikte in der zeitgenössischen Kunst erfolgreich überwunden zu haben. In der Marta-Ausstellung „Trügerische Bilder“ präsentiert sich das Gattungssprengende als Selbstverständlichkeit: Künstler*innen kombinieren malerische und fotografische Herangehensweisen, Motive und Techniken und erschaffen so eindrucksvolle Bildwelten, die irgendwo zwischen Realität und Fiktion beheimatet sind. Wie es die Tradition will, folgt auf die turbulente Vergangenheit ein Happy End für die Liebenden.