Mammutsteaks und Dinosaurierzoos – welche Tiere begegnen uns in der Zukunft?
Das Center for Genomic Gastronomy ist ein von Künstler*innen geleitetes Ideenlabor, das sich mit Fragen einer zukünftigen Ernährung beschäftigt. Unter Einbindung eines weltweiten Netzes aus Wissenschaftler*innen transportieren sie mit dem „De-Extinction Deli“-Projekt Fragen rund um das Rückzüchten, Aussterben und Wiederbeleben / Wiederansiedeln von unterschiedlichen ausgestorbenen Spezies in den Museumskontext.
Die Besucher*innen der Ausstellung „Kreaturen nach Maß – Tiere und Gegenwartsdesign“ sind eingeladen, sich an einer Umfrage zu beteiligen, bei der sie per Postkarte darüber abstimmen können, welche Haltung sie zu diesem Thema haben. Ich habe das Center for Genomic Gastronomy zu den sehr unterschiedlichen Antworten befragt.
Erste Auszählungen haben ergeben, dass über 60% der Teilnehmer*innen für die Wiederbelebung der ausgestorbenen Tiere sind. Nur etwa 16% würden die Tiere auch essen wollen. Deckt sich das mit den Ergebnissen anderer Umfragen?
In der Vergangenheit waren 60% der Befragten für eine Wiederbelebung ausgestorbener Tiere. Bei der Auswertung der „Umfrage“ 2018 in Liverpool ergab sich jedoch, dass das Verspeisen der rückgezüchteten Tiere hier einen wesentlich größeren Zuspruch fand als das im Marta Herford der Fall zu sein scheint!
2008 wurde die Genomsequenz von Mammuts durch US-Forscher entschlüsselt. Wie weit ist die Forschung zur Rückzüchtung und Wiederbelebung bisher? Und wie unterscheiden sich die rechtlichen Rahmenbedingungen von Land zu Land?
Die Forschung zur Rückzüchtung des Wollmammuts ist noch nicht abgeschlossen. Im Laufe der Jahre gab es immer wieder Durchbrüche und Ankündigungen, aber irgendwie scheint die Wiederbelebung des Wollmammuts immer „erst in zwei Jahren“ so weit zu sein. Der gesetzliche Rahmen für die wissenschaftliche Rückzüchtung ist von Land zu Land verschieden, wobei die Europäische Union diesbezüglich eher schwerfällig ist. Das liegt an den ethischen Implikationen des Klonens und der Klonierungsverfahren. Diese ethischen Fragestellungen haben großen Einfluss auf die Gesetzgebung und was als legal bzw. illegal ausgelegt wird. China ist beispielsweise im Moment weltweit führend in der Klonierungstechnologie, allerdings hat man sich hier vor allem auf geklontes Rind und Schwein für die Nahrungsmittelversorgung konzentriert.
Laut UN sterben täglich rund 150 Tierarten aus, gleichzeitig werden auch immer neue entdeckt. Welche Kriterien können bei der Auswahl dienen, welche Tierarten wiederbelebt werden sollen? Welchen Einfluss hätte dies auf den Artenerhalt, wenn die Wiederbelebung ausgestorbener Spezies möglich ist?
Es gibt viele unterschiedliche Kriterien bei der Entscheidung darüber, welche Arten rückgezüchtet werden sollen. Häufig geht es um die Frage, wie charismatisch eine bestimmte Tierart ist und ob sie eine interessante Geschichte hat (daher die ganze Arbeit zu Wollmammuts, Wandertauben oder zum Pyrenäensteinbock). Es gibt viele Pflanzen und Tiere, deren Rückzüchtung erstrebenswert wäre, aber die entsprechende Forschung wird wahrscheinlich nie stattfinden, weil ihre jeweiligen Geschichten in den Augen der Medien und der Allgemeinheit nicht so spektakulär erzählt werden können. Die Klonierungsverfahren sind zunehmend hochtechnisiert und immer präziser und werden daher bereits im alltäglichen Artenschutz für Tiere eingesetzt, die unmittelbar vom Aussterben bedroht sind. Indem die DNA der Populationen von bedrohten Tierarten ausgewertet und identifiziert wird, können wir die Verschlechterung ihres Genoms durch Inzucht zeitnah überwachen. Wir können auf diese Weise ein DNA-Archiv für eine Tierpopulation erstellen und dieses nutzen, um die genetische Diversität einer zurückgehenden Population sicherzustellen. Bei der Rückzüchtung geht es nicht nur um die Wiederbelebung eines Tieres, es ist auch eine Frage der Ökologie. Wenn wir eine ausgestorbene Art wieder zum Leben erwecken, dann müssen wir auch das Biom wiederherstellen, in dem diese Tiere gelebt haben. Wenn es uns gelänge, das Wollmammut wiederzubeleben, welchen Einfluss hätte es dann wohl auf ein Ökosystem, das sich über 10.000 Jahre in Abwesenheit dieses Tieres weiterentwickelt hat?
Der Preis für einen Burger aus In-vitro-Fleisch konnte in den letzten Jahren von 250.000 Euro (2013) pro Burger auf rund 10 Euro (2017) gesenkt werden. Wie viel müsste man wohl für einen Mammut-Burger bezahlen?
Der Preis für einen Mammut-Burger wäre von der Art von Technologie abhängig, die zur Wiederbelebung dieser Tierart eingesetzt wurde. Es ist etwas völlig anderes, wenn wir in einem In-Vitro-Szenario Bratlinge oder Proteine und Lipide als Fleischersatz herstellen. Beim Mammut würden wir eine ganze Tierart wiedereinführen, es gäbe dann wieder frei umherziehende Mammutherden. Für das Klonen von Mammuts würden Wissenschaftler zum Beispiel eine Elefantenkuh für das Austragen des Mammutembryos einsetzen, der vorher durch direkte Genmanipulation hergestellt wurde. Das ist eine weniger zeitaufwändige, aber kostspieligere Methode der Wiederbelebung von Tieren. Eine Alternative ist ein Nachzüchtungsprogramm. Es würde eine selektive Züchtung über viele Generationen erfordern, um die nahen Verwandten des Mammuts so nachzuzüchten, dass ihre DNA schließlich ein Wollmammut in seiner ursprünglichen Form durch Zurückbildung hervorbringen würde. Das würde sehr lange dauern, aber es wäre weniger invasiv und kostenintensiv. Die meisten Fleischprodukte verursachen jedoch ökologische Kosten, die nur selten in die Kostenrechnung für das Produkt mitaufgenommen werden! Insofern ist es vielleicht besser sich möglichst auf den Verzehr von Pflanzen zu beschränken.
Das „De-Extinction Deli“-Projekt gibt es seit 2013 und es wurde schon an verschiedenen Orten realisiert. Die ausgefüllten Postkarten werden an ausgewählte Wissenschaftler*innen und Organisationen gesandt. Warum wählt Ihr ein Museum wie Marta Herford als Plattform für dieses Projekt? Habt Ihr jemals Rückmeldungen aus der Forschung erhalten? Und wie steht Ihr selber dazu – sollten ausgestorbene Tierarten wiederbelebt werden?
Wir wollen das “De-Extinction Deli”-Projekt an öffentlichen Orten umsetzen und ein vielfältiges, nicht fachkundiges Publikum einladen, sich Gedanken über die ethischen Implikationen der Wiederbelebung ausgestorbener Tierarten zu machen. Die wissenschaftliche Arbeit der Nachzüchtung erfolgt häufig hinter geschlossenen Türen und für Laien ist es oftmals schwierig die Prozesse und ethischen Entscheidungen nachzuvollziehen, die diese Forschung mit sich bringt. Der Diskurs sollte für ein größeres Publikum geöffnet werden, denn am Ende müssen wir alle (Menschen und Tiere) mit diesen wieder zum Leben erweckten Spezies und ihren Biomen koexistieren. Und die Frage, ob diese Tiere gegessen werden sollen oder nicht, verleiht einer mitunter vielleicht etwas überzogenen moralischen Herangehensweise einen gewissen abgründigen Humor. Einige Wissenschaftler*innen haben den Erhalt von Postkarten bestätigt, aber uns bislang noch nicht mitgeteilt, wie sich das auf ihr Denken oder ihre Arbeit ausgewirkt hat. Bei anderen Projekten haben wir in der Vergangenheit allerdings eine unmittelbare Veränderung in der Arbeit der Wissenschaftler*innen feststellen können. Insofern wird es sicherlich spannend, wenn wir das Gespräch nächstes Jahr fortführen. Die Rückzüchtung ist ein interessanter theoretischer Aspekt für die Anregung eines Diskurses, aber wir haben erhebliche Vorbehalte, was die Möglichkeiten der Rückzüchtung im Rahmen des Artenschutzes betrifft. Wenn wir darüber nachdenken, ob wir rückgezüchtete Tiere essen würden oder nicht, müssen wir uns zwangsläufig auch an jene Tiere erinnern, deren Aussterben wir zu verantworten haben, und entsprechend über die menschliche Natur, Gelüste und Ethik reflektieren. ‚De-Extinction’ ist eine in die Zukunft gerichtete Fantasie unseres Wunsches, diese Tiere wieder in der freien Wildbahn „sehen“ zu können. Es ist, als ob wir mit einem Rückspiegel in die Zukunft schauen. Dabei wird unser Appetit auf das Exotische oder Ungewöhnliche genutzt, um über Fleischkonsum und unseren Umgang mit Tieren und Landschaften zu reflektieren. Anstatt uns der fantastischen und utopischen Vorstellung hinzugeben, dass wir diese Tiere wiederbeleben könnten, deren Aussterben uns zunächst ja nur wenig bekümmert hat, sollten wir vielleicht jenen Tieren unsere Aufmerksamkeit schenken, die heute schon unmittelbar vom Aussterben bedroht sind.
Einige Meinungen unserer Besucher*innen …
…gegen die Wiederbelebung ausgestorbener Tierarten:
…für die Wiederbelebung ausgestorbener Tierarten:
…dafür, sie wiederzubeleben und sie zu essen: