5 Fragen an Tobias Zielony
Fiktion oder Dokumentation? Dies lässt sich aus den multimedialen Installationen des Fotografen und Filmemachers Tobias Zielony nicht eindeutig herauslesen. In seinen Werken hinterfragt der Künstler die Authentizität bildgebender Medien, ohne dabei gesellschaftspolitische Themen außer Acht zu lassen.
Die aktuelle Ausstellung versammelt vier Werkgruppen, in denen die Besuchenden deine Arbeit durch unterschiedliche Medien erleben können. Wie würdest du deine künstlerische Praxis beschreiben?
In meiner künstlerischen Arbeit geht es um Fragen von Licht und Dunkelheit, um das, was Bilder überhaupt sagen oder abbilden können, und was nicht. Die Ausstellung bildet die aktuelle politische Situation in der Ukraine ab, auch wenn ich zuletzt, zur Zeit des Angriffskrieges, nicht in der Ukraine war. Ich arbeite viel mit Fotografie, denn darin lag meine Ausbildung, aber auch mit Videos, mit Stop-Motion-Animationen und inzwischen, wie auch hier in der Ausstellung, mit sehr viel Text und gesprochenem Wort.
Kannst du uns den Ausstellungstitel „Dark Data“ im Kontext der Ausstellung näher erläutern?
„Dark Data“ beschreibt eine riesige Menge an Daten, die gesammelt, aber nicht verarbeitet bzw. genutzt werden. Es gibt sozusagen einen Wissensspeicher, der nicht angezapft wird, der auch Probleme mit sich bringt, wenn man Daten sammelt. Wir haben die Bedeutung etwas anders genutzt und uns gefragt, was gibt es an Wissen, an Informationen und wie viel kann man davon wiedergeben – oder wie viel ist unsichtbar und dennoch in Bildern oder in Texten vorhanden.
Die in der Ausstellung gezeigten Arbeiten „Maskirovka“ (2017) und „Watching TV in Narva” (2022) thematisieren die derzeitige politische Situation in der Ukraine, kannst du uns sagen ob und wie diese zusammenhängen?
Die Arbeit „Maskirovka“ ist von 2017. Das war die Zeit nach dem Maidan, nach der Besetzung der Krim durch Russland und nach dem Beginn des verdeckten Krieges Russlands im Donbass – noch vor der offenen Aggression Russlands gegenüber der Ukraine, also dem Krieg, den wir aktuell erleben. Trotzdem war dieser Konflikt im Donbass schon deutlich spürbar, als ich damals in der Ukraine war. Der Schwerpunkt meiner Arbeit, vor allem der Fotos, war vielmehr die Underground-, Party- bzw. Queere-Szene. In der Videoarbeit der Serie „Maskirovka“ ist der Kontext allerdings stärker sichtbar. Da gab es schon Fernsehbilder aus dem Krieg im Donbass, da gab es Gewalt auf der Straße, das war sozusagen das Umfeld, in dem die Menschen sich bewegt haben. Und jetzt, durch den Einmarsch Russlands im Februar, hat sich die Situation noch einmal extrem verändert und verschärft.
Die Arbeit „Watching TV in Narva“ reagiert darauf, aber zeigt eigentlich eine Peripherie des Krieges. Die Stadt Narva liegt in Estland, an der russischen Grenze. Dort kommen viele ukrainische Geflüchtete an, die durch Russland in die EU einreisen. Aber in der Arbeit geht es letztlich darum, dass Estland die russischen Nachrichtensender abgeschaltet hat, direkt zu Beginn des Krieges und die russischsprachige Bevölkerung jetzt andere Fernsehkanäle gucken muss. Es geht um die Frage von Identität, von Sprache, russisch und estnisch. Aber im Hintergrund ist immer dieser Krieg, den sieht man auch in den Fernsehbildern, die ich abgefilmt habe.
Du begleitest die Portraitierten als Beobachter und Vertrauter, auf diese Weise erfahren wir durch deine Arbeiten auch intime Momente. Wie trittst du an deine Protagonist*innen heran?
Hier in der Ausstellung sind vier verschiedene Arbeiten zu sehen und an alle vier Arbeiten bin ich anders herangegangen, vor allem an die Leute. Bei der Arbeit „Wolfen“ waren es vor allem Frauen einer älteren Altersgruppe, die früher in der DDR in der Fabrik gearbeitet haben. Da bin ich zu dem Filmmuseum in Wolfen gegangen, die mir geholfen haben, diese Frauen zu finden und zu interviewen. In Narva waren es eher junge Leute. Da habe ich einen von ihnen an einem lokalen Kunstort kennengelernt und mich mit ihm unterhalten. Im Endeffekt habe ich dann seine Freund*innen gefilmt und interviewt.
Wie ist deine Position als Künstler im Verhältnis zu den festgehaltenen Bildsujets? Siehst du dich als Beobachter, Kommentator, Kritiker, Inszenator?
Es ist immer einfach zu sagen, ich bin Künstler. Das schließt ganz viele verschiedene Rollen mit ein, die ich ja irgendwie ausfülle. Natürlich bin ich in erster Linie Fotograf, was auch immer das bedeutet. Aber ich würde jetzt zum Beispiel nicht sagen, ich bin einfach nur Beobachter. Ich finde, das ist viel zu wenig. Nicht nur, dass ich viele Sachen auch inszeniere oder mit den Leuten zusammen bespreche und anschließend inszeniere, sondern ich schaffe auch neue Erzählungen. Erzählungen, die natürlich nicht komplett frei erfunden sind, aber ich bin auch kein Journalist, der sich pseudoobjektiv durch die Welt bewegen muss.