Leichte Sprache und ihre Bedeutung für Menschen mit Lernschwierigkeiten im Museum
Welche Rolle spielt Sprache im Museum? An wen werden Museumstexte adressiert und wen schließen sie aus? Und welche Möglichkeit gibt es, um alle unsere Marta-Besucher*innen sprachlich einzubeziehen? Diese Fragen beantwortet uns Andrea Tischner vom Büro für Leichte Sprache „leicht ist klar“.
Die meisten Menschen gehen ins Museum, um ein paar nette Stunden zu verbringen, Interessantes anzuschauen, neue Sachen zu lernen oder Gelerntes zu vertiefen. Das ist bei Menschen mit und ohne Lernschwierigkeiten oft gleichermaßen so.
Wo Menschen ohne Lernschwierigkeiten sich bei den oft sehr schweren Beschreibungen der Bilder, Skulpturen, Fotos oder Interaktionen einer Ausstellung mit zusätzlichen Infos aus dem Internet helfen können, stehen Menschen mit Lernschwierigkeiten meist vor viel größeren Herausforderungen. Sie verstehen die Beschreibungen im Museum nicht und die möglichen Infos im Internet sind für sie in der Regel genauso unverständlich. Also stellen sich viele Menschen mit Lernschwierigkeiten zu Recht die Frage:
Warum soll ich dann ins Museum gehen?
Dazu gäbe es viele Schlagworte zu sagen, die spontan in den Sinn kommen.
Z.B. „Bildung für alle“, „Kunst und Kultur sind für alle Menschen wichtig“, „Inklusion und Vielfalt“. Um diese Worte mit Leben zu füllen, müssen aber andere Konzepte, viele neue Ideen und mögliche Hilfsmittel her. Ein Hilfsmittel kann die Leichte Sprache sein, z.B. für Menschen mit Lernschwierigkeiten, für ältere Menschen, für Menschen aus anderen Ländern oder für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, um nur einige Zielgruppen zu nennen.
Was ist Leichte Sprache?
Leichte Sprache ist ein Sprachkonzept, das sich Menschen mit und ohne Lernschwierigkeiten gemeinsam erdacht und Regeln dazu aufgeschrieben haben. Diese Regeln sind gar nicht so weit weg von dem, was wir alle schon einmal selbst (in der Grundschule) gelernt haben. In der Leichten Sprache schreiben wir z.B. kurze Sätze und eine Aussage pro Satz, wir verwenden bekannte Wörter und vermeiden Fremdwörter oder schreiben Erklärungen dazu, benutzen bekannte Satzzeichen, eine große Schrift und einen großen Zeilenabstand. Und um das Textverständnis noch zu erhöhen, setzen wir textunterstützende Bilder ein.
Leichte Sprache ist aber auch ein Denkprozess; nämlich möglichst viele und unterschiedliche Menschen mit Texten und Informationen zu erreichen.
Wie sieht Leichte Sprache im Museum Marta aus?
Das Museum Marta hat sich mit den Ausstellungen „Look! Enthüllungen zu Kunst und Fashion“ und „Ersehnte Nähe“ genau auf diesen Weg gemacht. In der gemeinsamen Erarbeitung der Texte in Leichter Sprache wurden die Informationen zu den Ausstellungen (in schwerer Sprache) zerpflückt, an den Ideen und Denkweisen der Kuratorinnen ein wenig gerüttelt, die Perspektiven etwas verändert, neue Ideen mit eingebracht, Vorwissen zum Thema für die Menschen mit Lernschwierigkeiten geschaffen, textunterstützende Bilder besprochen und über Mitmach-Möglichkeiten diskutiert. Und mit jedem Schritt wurde immer fassbarer: Inklusion fällt nicht vom Himmel, Inklusion ist Arbeit. Aber die tolle Broschüre in Leichter Sprache und das positive Feedback einiger Besucher*innen z.B. auf die Ausstellung „Look!“ zeigt auch, es hat sich gelohnt – Für die unterschiedlichen Menschen und für das Museum Marta.
Über die Autorin:
Andrea Tischner ist Diplom-Sozialpädagogin und Gründerin sowie Leiterin des Büros für Leichte Sprache „leicht ist klar“ in Kassel. Seit 2012 berät sie Institutionen zu sprachlicher Barrierefreiheit, leitet Schulungen und übersetzt Texte in Leichte Sprache.