Marta hört Stimmen: „Wenn Kunst nicht frei sein kann, ist sie keine Kunst!“
Immer wieder stellen wir uns die Frage, wie wir die Besucher*innen aktiv in unsere Ausstellungen einbinden können. Wir wollen kein Kunsttempel sein, wo man nur ehrfürchtig schauen darf. Rückmeldungen und Partizipation sind uns wichtige Anliegen. Eine aktive Beteiligung erleichtert den Zugang zu den Ausstellungsthemen und regt eine nachhaltige Reflexion an.
Es fiel uns nicht schwer, Ideen für die gerade vergangene Ausstellung „Haltung & Fall – Die Welt im Taumel“ zu entwickeln. Die Thematik selbst rührt aus einem verstärkten Bedürfnis, zu aktuellen gesellschaftlichen Fragen eine Haltung einnehmen zu wollen. Oder auch aus dem Gefühl, ständig mit der Forderung konfrontiert zu sein, Stellung beziehen zu müssen. Eine eindeutige Haltung kann in einer gefühlt ins Schwanken geratenen Welt einen Orientierungspunkt geben, Halt bieten, aber genauso eine Bedrohung sein. Nicht nur körperlich konnten die Besucher*innen diese Themen am eigenen Leib in der Ausstellung erfahren, auch auf geistiger Ebene konnte Stellung bezogen werden.
Ist die Kunst frei?
Zusammen mit unserer Abteilung Bildung & Vermittlung und dem Grafikbüro Nathow & Geppert aus Bielefeld entwickelten wir zudem eine Möglichkeit, selbst Statements und Haltungen zu formulieren und in der Ausstellung zu hinterlassen. Dafür stellten wir den Besucher*innen direkt in der Eingangsgalerie drei Fragen: Ist die Kunst frei? Ist Freiheit wichtiger als Sicherheit? Und: Darf mein Körper meine gesellschaftliche Rolle bestimmen?
Eine Haltung zu entwickeln braucht Zeit
Auf eigens dafür entwickelten Antwortkarten konnten die Besucher*innen diese entweder schlicht mit Ja oder Nein beantworten (ein vorgedrucktes X stand für Nein, ein Haken für Ja) oder ihr Voting noch mit einer persönlichen Aussage versehen. Extra für die Ausstellung gebaute Tische luden dazu ein, die Karten in Ruhe auszufüllen. Spielerisch erinnerte der Aufbau mit einem Sichtschutz in der Mitte des Tisches an ein Wahlbüro. Schließlich brauchte das Formulieren der eigenen Meinung Raum und Zeit und auch Diskretion konnte für einige wichtig sein. Die Beschäftigung mit diesen durchaus philosophischen, nicht leicht zu beantwortenden Fragen forderte zudem eine hohe Konzentration.
Einen Standpunkt aus mehreren Perspektiven betrachten
Wie schwierig es war, sich eindeutig für Pro oder Contra zu entscheiden, lässt sich in vielen Äußerungen ablesen. Ein Abwägen zwischen den Positionen und die Erkenntnis, dass es immer mehrere Perspektiven gibt, prägt viele der Antworten. Auf kleinen Regalbrettern wurden die Karten schließlich den Fragen nach geordnet aufgestellt und täglich ausgezählt. Eine klare Haltung lebt davon, dass sie sich von einer anderen abhebt. Ein „Ich bin dafür“ setzt ein „Ich bin dagegen“ voraus, ansonsten wäre das Bedürfnis, sich für oder gegen etwas zu bekennen, nicht gegeben. Wir messen uns am Anderen, denn nur durch das Gegenüber kann ich mich selbst wahrnehmen (so sagt es schon Hegel). Wie eine Anzeigetafel in der Sporthalle wurden die Ja/Nein-Stimmen eindeutig sichtbar gemacht (s. Headerbild). Das Verhältnis war zunächst nicht so eindeutig, im Laufe der Ausstellung kristallisierten sich jedoch klare Tendenzen heraus. Manchmal auch durchaus überraschende. Ich hätte kurz nach der Eröffnung nicht gedacht, dass die Frage, ob der Körper die gesellschaftliche Rolle bestimmen darf, so viele Ja-Antworten erhält.
Feedback und Motivation
Die große Menge an ernsthaften Auseinandersetzungen und fundierten Aussagen haben uns letztendlich wieder einmal überrascht. Es scheint ein grundlegendes und starkes Bedürfnis zu geben, sich persönlich einzubringen und die Themen, mit denen man sich beim Ausstellungsrundgang beschäftigt, zu reflektieren und schließlich etwas zu hinterlassen. Uns motivieren diese Rückmeldungen sehr. Mit viel Interesse und Neugierde haben wir uns an das Durchschauen der verschiedenen Kisten mit Karten gemacht. Wir bedanken uns für die tiefgründigen, humorvollen, ernsthaften und manchmal auch sehr nachdenklich stimmenden Antworten und versprechen, die Stimmen der Besucher*innen auch bei unseren folgenden Ausstellungen immer wieder zu hören!


